Immer mehr Leute beschäftigen sich in ihrer Freizeit mit der Familienforschung – Auslöser sind oft alte Fotos, die neugierig auf die eigene Herkunft machen. Spezielle Anbieter im Netz helfen dabei.

Das Staatsarchiv Leipzig birgt auf fast 800 Regalmetern den größten genealogischen Schatz Deutschlands. Quelle: Bertram Kober, punctum
Da staunte André Marten aus Uetersen (Schleswig-Holstein) nicht schlecht. Durch die genealogische Analyse seiner DNA erfuhr er 2019, dass in seinem Körper 7 Prozent Indianerblut fließen. Bereits seit Teenagertagen begeistert er sich für die Ahnensuche. Heute weiß er, dass seine Ururgroßmutter eine Apachin aus dem Westen der USA gewesen ist.
Kraft gewinnen aus dem Wissen um die eigene Historie
Besonders junge Menschen möchten mehr über ihren Ursprung wissen. Laut einer aktuellen Umfrage der Markt¬forschungs¬agentur Arlington Research im Auftrag der Ahnenforschungsplattform Ancestry sind 53 Prozent der 19- bis 40-Jährigen stark an der Geschichte ihrer Familie interessiert und möchten einen Stammbaum erstellen. Sie glauben, dass ihnen das Wissen um das Schicksal der Eltern und Großeltern bei eigenen Herausforderungen Kraft gibt.
Der Einstieg in die Genealogie ist für den Laien dank vieler digitaler Recherchetools recht einfach. Nichtsdestotrotz gibt es einiges zu beachten, um bei der Fülle an Informationen nicht den Überblick zu verlieren, an einer Stelle falsch abzubiegen und sich eine verkehrte Familie zusammen zu recherchieren.
Am Anfang sollten die lebenden Verwandten stehen
„Zu Beginn sollte man alle lebenden Verwandten wie Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel befragen und gucken, was es an Dokumenten gibt“, rät Ancestry DNA-Genealogin Ursula Krause. „Das können z.B. Familienbücher, Tauf-, Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden, Konfirmationspapiere, Zeitungsanzeigen, Besitzurkunden, Finanzpapiere und Steuerunterlagen sowie alte Fotos sein.“
Der Stammbaum beginnt immer mit dem eigenen Namen. Dann arbeitet man sich von Generation zu Generation in die Vergangenheit. Dies kann man entweder selbst von Hand skizzieren oder digital über einen der vielen Onlineanbieter wie Ancestry, MyHeritage (beide kostenpflichtig) und FamilySearch (kostenlos) aufbauen. Ahnenforschungsportale bieten hierbei unter anderem die Möglichkeit, seinen Stammbaum mit Verwandten zu teilen und weisen wenn gewünscht auf mögliche Treffer in den Ahnentafeln anderer Nutzer hin.
Stammbaum per Software erstellen
Es gibt auch zahlreiche Softwarelösungen für die Stammbaumerstellung. Für den Hobbyforscher empfiehlt Horst Reinhardt, Geschäftsstellenleiter von CompGen – Deutschlands größtem genealogischem Verein – sehr oft die freie Version der Software Ahnenblatt. „Sie ist einfach aufgebaut, leicht bedienbar und ermöglicht einen unkomplizierten Datenaustausch mit anderen Genealogen“, erklärt er.
Nachdem die Verwandten befragt und die Dokumente ausgewertet sind, hangelt man sich ausgehend von den jüngsten Daten weiter in die Vergangenheit. Über Standesamtsbücher kommt man bis 1875 zurück. Aufgrund von Datenschutzbestimmungen unterliegen Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden einer jeweiligen Sperrfrist, sodass diese vor Ablauf nicht öffentlich einsehbar und somit nur über das Standesamt zugänglich sind.
Auch echte Archive sind eine Alternative
Wer so richtig der innerfamiliären Detektivarbeit verfallen ist, kommt an dem Besuch echter Archive nicht vorbei. Denn trotz eifriger Digitalisierung ist lange nichts alles per Mausklick aufzuklären.
Die wohl beste Anlaufstelle dürfte das Staatsarchiv Leipzig sein. Auf fast 800 Regalmetern wird hier der größte genealogische Schatz Deutschlands verwahrt. Neben Kirchenbüchern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, Familienarchiven, genealogischen Nachlässen von Forschern und anderen Vereinen findet sich hier auch die deutsche Ahnenstammkartei.
Problem Orthographie: Namen wurden früher nach Gehör geschrieben
Je weiter man in der Zeit zurück reist, desto mehr Stolperfallen befinden sich auf dem Weg. So wurde ein Großteil der historischen Dokumente aus Deutschland handschriftlich in der sogenannten Kurrentschrift verfasst. Diese ist für den Laien teilweise nicht zu entziffern. „Außerdem gab es früher keine eindeutige Schreibweise des Nachnamens. Da ist nach Gehör geschrieben worden und da fehlt dann plötzlich ein h, das wir heute aber im Namen haben“, gibt Katrin Heil zu bedenken.
Auch alte Ortsnamen können in die Irre führen, da viele Kommunen heute anders heißen oder eingemeindet wurden. Um nicht gar im ganz falschen Land zu suchen, kann man das Geschichtliche Ortsverzeichnis (GOV) auf der CompGen-Website (Externer Link) zu Rate ziehen.
Per DNA-Test Gewissheit über die eigene Herkunft
Eine weitere, besonders bei den datenschutzbewussten Deutschen nicht gänzlich unumstrittene, Möglichkeit, mehr über seinen Ursprung zu erfahren, ist die DNA-Genealogie. Ahnenforschungsportale wie MyHeritage und Ancestry bieten hierfür entsprechende DNA-Tests an. „Für die DNA-Analyse verschicken wir Speicheltestkits für zu Hause. Mit dem Laborergebnis erhalte ich einen Schätzwert, aus welchen Teilen der Welt meine Vorfahren stammen könnten. Also meine Ethnizität. Außerdem bekomme ich sogenannte Matches. Das sind Übereinstimmungen, mit wem ich DNA teile, sprich mit wem bin ich verwandt und zu welchem Verwandtschaftsgrad“, erklärt Ursula Krause.
André Marten plant, nach der Pandemie seine neuen Verwandten in Colorado zu besuchen. „Viel hat sich für mich bis jetzt nicht geändert. Ich gucke etwas anders in die USA“, erzählt er. „Und wenn ich jetzt meiner Tochter sage: ‚Wein‘ nicht, ein Indianer kennt keinen Schmerz.‘ hat das eine besondere Bedeutung.“
[RND Der Artikel "Ahnenforschung im Internet: die digitale Reise zu sich selbst" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland [ (Externer Link)