Zweiter Weltkrieg
Auf einem Friedhof im niederländischen Eibergen ist ein deutsches Mädchen 1944 begraben worden. Ihr Schicksal gibt viele Rätsel auf – ein Mitglied des Vredener Heimatvereins sucht nach der Lösung.
 
Wilco Kuiperij und seine Mutter Riki Kuiperij-Timmermans kümmern sich um das Grab von Rosemarie Goldenberg. Der Name auf dem Grabstein ist wie im Original Goldenburg , die Familie hieß aber Goldenberg, wie Bert Smeenk herausfand.© Nils Dietrich
 
Riki Kuiperij-Timmermans kann sich noch daran erinnern, wie sie auf das ungewöhnliche Grab auf dem Friedhof in Eibergen gestoßen ist. Über 60 Jahre ist das inzwischen her: „Wir waren hier auf einer Beerdigung und da fiel mir das Grab auf“, erzählt sie. Es war die letzte Ruhestätte eines deutschen Mädchens, das 1944 im Alter von nur vier Jahren gestorben war.
Offensichtlich kümmerte sich niemand darum. Der Anblick des Grabes berührte Riki Kuiperij-Timmermans, war das Mädchen doch im gleichen Jahr wie sie geboren. Fortan kümmerte sie sich zusammen mit ihrem späteren Ehemann und ihrer Schwester um die Pflege der Ruhestätte.
 
Ein geheimnisvolles Grab

Aber was es mit dem Grab auf sich hatte und welche Geschichte sich dahinter verbarg, blieb zunächst ein Geheimnis. Erst der Zufall brachte einige Jahre später etwas Licht ins Dunkel. An einem Sonntag in den späten 1950er-Jahren stand auf einmal ein deutsches Paar in dem eigentlich geschlossenen Laden der Schwester von Riki Kuiperij-Timmermans. Ob sie wisse, wer sich um das Grab kümmere?, wollten die Fremden wissen. „Ja, das ist meine Schwester.“
 
Das einzige überlieferte Foto von Rosemarie Goldenberg (l.), die hier mit ihrer kleinen Schwester zu sehen ist. Der Vater übergab das Bild an Riki Kuiperij-Timmermans bei ihrem Besuch in Essen. © privat

Anschließend besuchten die Familien gemeinsam das Grab auf dem Allgemeinfriedhof in Eibergen unweit der deutschen Grenze. Dort erfuhr Riki Kuiperij-Timmermans auch, was seinerzeit mit der kleinen Rosemarie passiert war. Das vier Jahre alte Mädchen geriet damals unter die Räder einer Kutsche. Ein Junge wurde ebenfalls verletzt, aber er überlebte. Mutmaßlich war auch er ein Deutscher, doch wie er hieß oder was aus ihm wurde, ist unbekannt.
 
Mit dem Moped nach Essen

Doch zwischen der Familie Kuiperij und den Eltern von Rosemarie entstand so etwas wie eine Freundschaft. Riki Kuiperij-Timmermans fuhr sogar mit dem Moped nach Essen, wo die Goldenbergs wohnten. Die heute 81-Jährige zeigt auf 1961 datierte Fotos, auf denen die Familien zusammensitzen.
 
Vier Jahre später aber brach der Kontakt plötzlich ab. Die Familie Goldenberg war spurlos verschwunden, ihr Schicksal ist bis heute unbekannt. Waren sie ausgewandert? Warum verabschiedeten sie sich nicht? Riki Kuiperij-Timmermans steht nach dieser langen Zeit immer noch vor einem Rätsel.
 
Ruhestätte über 60 Jahre gepflegt

Aber in all den Jahren hat die Familie Kuiperij das Grab weiter gepflegt. Am Geburts- und Todestag sowie zu Weihnachten gab es immer Blumen – seit nunmehr über 60 Jahren.
Riki Kuiperij-Timmermans (l.), ihr Mann und ihre Schwester im Jahr 1961 am Grab von Rosemarie Goldenberg. © privat
 
Immer noch umranken viele Geheimnisse das Schicksal der kleinen Rosemarie. So viel ist bekannt: Die Familie Goldenberg wohnte in Eibergen, der Vater war bei der Wehrmacht. Allein das ist ungewöhnlich, denn einfache Soldaten hatten keinen festen Wohnsitz in den besetzten Gebieten und konnten schon gar nicht mit ihrer Familie umziehen.
 
Heimatforscher Bert Smeenk (Mitglied des Vredener Heimatvereins und der wmgen)
 
Was machte der Vater bei der Wehrmacht?

„Er muss als Sanitäter oder in einer ähnlichen Position gearbeitet haben“, sagt der Heimatforscher Bert Smeenk, der den Vredenern als Mitglied des hiesigen Heimatvereins bekannt ist. Im Hauptberuf arbeitet er für das Onderduikmuseum („Untertauchermuseum“) in Aalten, das sich mit dem alltäglichen Leben der Bürger in den besetzten Niederlanden beschäftigt.
 
Immerhin: Der Erhalt des Grabes ist gesichert. Der Grabstein drohte zu zerfallen, über eine Stiftung und ein Crowdfunding sammelte Wilco Kuiperij in weniger als 14 Tagen das notwendige Geld für eine Neuanschaffung und die Pflege. Im Dezember wurde er enthüllt.
Einen letzten Wunsch hat die Familie Kuiperij aber noch: Sie würden gerne die Verwandten von Rosemarie Goldenberg ausfindig machen, um ihnen die alte, marmorierte Grabplatte zu übergeben, die bei der Sanierung des Grabes entfernt wurde. Einzig: Ihre Suche blieb ohne Erfolg – bislang.
 
Quelle - Externer Link: Münsterland Zeitung 11.01.2022 von Nils Dietrich
 

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