RHEINE Ralf Horstmann war 23, als ihm beim Durchforsten des großväterlichen Kellers ein verblichenes Schwarz-Weiß-Foto in die Hände fiel. Abgebildet war eine Ehrfurcht gebietende Dame in schwarzer Festtagstracht – seine Urgroßmutter im Jahre 1907. Und so begann Horstmanns fünfzehnjährige Reise in die Vergangenheit seiner Familie.
Ralf Horstmann.
Foto: Miriam Daschty
In einer Urkunde von 1636 fand Horstmann die erste Erwähnung der Familie Scheipers mit dem gleichnamigen Hof in Wadelheim. Neben dem klassischen Aktenwälzen konnte er auf eine ganz besondere Quelle zurückgreifen: etwa 5000 Fotos, die sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt hatten. Vater und Großeltern halfen beim Entschlüsseln dieser Boten längst vergangener Zeiten.„Ein Foto von 1927 zeigt, wie die Hofstelle Scheipers ans elektrische Netz angeschlossen wurde. Diese Szene haben Nachbarn erkannt. Auch in der Familie haben wir immer gerne über die Vergangenheit gesprochen“, so Horstmann über sein außergewöhnliches Hobby.
Dessen Ergebnis konnte er pünktlich zum Weihnachtsfest seinem sichtlich gerührten Vater in die Hände legen: die gebundene „Familienchronik Scheipers“.
Ralf Horstmanns Urgroßmutter Elisabeth Maria Scheipers (Mitte) auf einem Foto von 1907. Dieses Fundstück gab den Ausschlag für die Ahnenforschung. Foto: privat
Mosaiksteine der langen Ahnenreihe
Auf mehr als 100 Seiten erfährt der Leser von den Lebensbedingungen in Rheine im Dreißigjährigen Krieg oder dem schwierigen Verhältnis der Bauern zu den Grundherren. Flurkarten, Zeittafeln, Totenzettel, Kirchenbucheinträge und natürlich die Fotos sind Mosaiksteine dieses lebhaften Bildes einer jahrhundertelangen Ahnenreihe in Wadelheim.Eine bewegte Geschichte hatte nicht nur die Familie auf dem Hof Scheipers (heute Im Hornkenbusch 41), sondern auch das Grundstück selbst: Das 1904 erbaute Gebäude
beherbergte mehrere Generationen. Bis der Hof 1941 an die Reichsvermögensverwaltung verkauft werden musste. Auf den Ländereien sollte ein Militär-Flugplatz entstehen: Bentlage. Mehrere Familien wurden mitleidlos umgesiedelt, Horstmanns Vorfahren zogen nach Laer.
Der letzte Erbe des Hofes Scheipers bei seiner ersten Hochzeit 1930.
Foto: privat
Trauriges Geheimnis„Das Gebäude gibt es aber noch: Es wurde 1976 wieder verkauft. Leider wurden meine Großeltern nicht benachrichtigt. Meine Oma wäre begeistert gewesen, hätte sie wieder dort wohnen können“, erzählt Horstmann, der durch seine Forschungen nicht nur diesen Kriegswirren, sondern auch einem traurigen Geheimnissen auf die Spur kam.
Foto: privat
„Meine Oma hatte 1922 eine Totgeburt. Das war im Sterberegister notiert.“ Zu diesem Zeitpunkt war Maria Scheipers allerdings noch gar nicht mit Florenz Horstmann verheiratet gewesen. Ein Skandal in der damaligen Zeit, wäre es ansLicht gekommen. Über die Oma väterlicherseits hat Ralf Horstmann viel erfahren – doch er hat ja schließlich auch einen Großvater. Ehrensache also, dass der unermüdliche Ahnenforscher nun dem eigenen Familiennamen nachspürt. (Von Miriam Daschty)
Foto: privat
Quelle: Ruhr Nachrichten 1. Januar 2010