Der Forschungstransfer-Experte Dr. Wilhelm Bauhus sieht einen Boom bei der Familien- und Ahnenforschung und erkennt dort gute Entwicklungsmöglichkeiten für Geisteswissenschaftler.
[Quelle; Westfälische Nachrichten, Ausgabe Münster,Lokales, vom 17.03.2009]
Forschungstransfer-Experte: Falsches Bild vom Unternehmer
Dr. Wilhelm Bauhus will Studenten ermutigen ernsthafter über die Selbstständigkeit nachzudenken (Foto) kv
Münster - In den vergangenen Monaten haben die WN auf ihrer Hochschulseite ehemalige Studenten aus Münster vorgestellt, die den erfolgreichen Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben. Alle mit unkonventionellen Ideen und viele in einer Unternehmerrolle, die sich sehr vom Klischee des Chefs im Nadelstreifenanzug unterscheidet.
Die Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO) der Universität versucht, die Idee der Selbstständigkeit als Berufsperspektive unter Studenten stärker zu verankern. WN-Redakteurin Karin Völker sprach zum Abschluss der Serie mit dem Leiter der AFO, Dr. Wilhelm Bauhues, über Chancen und Perspektiven.
Warum halten Sie es für so wichtig, dass Studierende die Selbstständigkeit als ernsthafte Berufsperspektive ins Auge zu fassen?
Bauhus: Die Chancen, eine sichere, gut dotierte Position im Angestellten- oder Beamtenverhältnis zu bekommen, werden immer geringer. Besonders für diejenigen, die in Münster bleiben wollen. Wer sich hier als Hochschulabsolvent dauerhaft beruflich etablieren will, dem bleibt in vielen Bereichen kaum eine andere Wahl als die Selbstständigkeit.
Wie viele Studenten machen sich denn momentan nach dem Abschluss selbstständig?
Bauhus: Außer Ärzten, Rechtsanwälten oder Apothekern, die sich traditionell über kurz oder lang als Selbstständige niederlassen, sind es verschwindend wenige, weniger als zwei Prozent aller Absolventen.
Woran liegt nach Ihrer Erfahrung diese Zurückhaltung? Fehlt den Uniabsolventen der Mut?
Bauhus: Bei vielen herrscht, so scheint mir, ein falsches Bild vom Unternehmer vor. Wer als Selbstständiger Geld verdienen will, muss keineswegs seine Arbeitstage im Anzug mit Krawatte verbringen, Hierarchien aufbauen und immer die Chefrolle spielen. Die Beispiele in der WN-Serie haben sehr viele ungewöhnliche Unternehmer-Bilder gezeigt, die überhaupt nicht den alten Klischees entsprechen.
Fehlt vielen Studenten nicht einfach die zündende Idee?
Bauhus: Das kann schon sein. Es ist wichtig, auch Kreativität für ungewöhnliche Geschäftsideen bei Studenten schon in frühen Phasen des Studiums zu schulen. Wir haben vor, entsprechende Lehrveranstaltungen schon bei den so genannten „General Studies“ im Rahmen der Bachelor-Ausbildung anzubieten. Die Uni Münster kooperiert dabei mit den Nachbarhochschulen in Dortmund, Bielefeld und Paderborn.
Wie realistisch ist es nach Ihrer Erfahrung, mit einer Unternehmensidee genug Geld für ein angenehmes Leben zu verdienen?
Bauhus: Die meisten Beispiele, die wir hier kennen, zeigen: Man wird innerhalb weniger Jahre nicht wirklich reich, aber der Ertrag lässt sich schon mit einem guten Angestelltenjob vergleichen. Übrigens auch in Bereichen, die man zunächst einmal für wenig profitträchtig halten würde, wie etwa Musiktherapie oder Naturschutz.
Aussichten auf Erfolg haben also keineswegs nur die Naturwissenschaftler, die sich mit einer vielversprechenden technischen Innovation selbstständig machen können?
Bauhus: Ich sehe auch durchaus gute Entwicklungsmöglichkeiten für Geisteswissenschaftler. Familien- und Ahnenforschung boomt - ein ideales Gebiet für Historiker. Grundsätzlich gibt es in der Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft einen steigenden Bedarf, verständliche und gut lesbare Texte zu verwenden. Für solche Lektoratsdienste gibt es meines Erachtens einen hohen Bedarf.
Gibt es geeignete und ausreichende Starthilfen für junge Unternehmer?
Bauhus: Es gibt bereits viele Beratungs- und Unterstützungsangebote. Was in Münster noch fehlt, ist ein Gründerzentrum für solche kleinen, neuen Unternehmen jenseits der Technologiebranchen. Ein Ort, wo sich solche Initiativen entwicklen und möglicherweise gegenseitig inspirieren und vernetzen könnten, würde die Unternehmer-Landschaft unter Münsters jungen Akademikern sicher voranbringen.