Alles beginnt 1963 mit einer unscheinbaren Kiste. Gefüllt mit „Papierkram“aus Jahrhunderten. Jahre später sind sie Grundlage für die Chronik des Hofes Fier.

2025 mlz fierDer Hof Fier in einer Luftbildaufnahme aus den 1970er-Jahren. FOTO Privat

Als Bernhard Fier (Jg. 1875), Erbe des Hofes Fier in Asbeck, 1963 stirbt, gehört zu seinem Nachlass auch eine Truhe in einer Ecke seines Schlafzimmers. Der Inhalt? Dem ersten Anschein nach kein wertvoller Schatz, sondern eine Sammlung ganz unterschiedlicher Fundstücke, die die Geschichte des Asbecker Hofes erzählen: Dokumente, Totenzettel, Fotos, Gegenstände.

Dass es sich bei „dem nutzlosen Altpapier“ doch um einen großen Schatz handelt, wird aber erst nach und nach klar. Vor allem dann, als sich Regina Frenker (geb. Fier, Jg. 1954) daran macht, die einzelnen Puzzleteilchen zu einem Gesamtbild zusammzusetzen und in weitere intensive Recherche einsteigt. Der Start, um schließlich die (ganze) Geschichte des Hofes und der Familie von 1687 bis 2024 erzählen zu können.

Fleißarbeit über Jahre

Regina Frenker, pensionierte Schulleiterin und Lehrerin. Biologie und Mathematik sind die Fächer, die sie unterrichtet hat. Ein Interesse an der Vergangenheit, an den familiären Wurzeln, hat sie aber schon als junges Mädchen.

Früh übernimmt sie in der Familie auch die Aufgabe, die vorhandenen Unterlagen zu sichten und zu „verschriftlichen“: „Vater habe ich geholfen, die vielen Totenzettel zu sortieren.“ Dass sie auch immer schon gerne schreibt, ist ein weiterer Impuls, sich ab 2022 näher mit dem Projekt „Hofchronik“ zu befassen. Eine Fleißarbeit über Jahre. „Mitunter war mein Büro in Vreden voller Kisten mit Dokumenten und Fotoalben.“

Neben der Auswertung des historischen Materials, das über all die Jahre auf dem Hof „konserviert“ wird, erhält sie weitere wertvolle Informationen aus Archiven und von Zeitzeugen. Von ihrem Bruder und Hoferben Heinrich (Jg. 1952) und anderen Verwandten. Darunter auch ihre Tante Maria Althaus (88), jüngste Schwester ihrer Mutter Änne Fier, die das Leben auf dem Asbecker Hof von kleinauf miterlebt hat.

Erinnerungen an das Hofleben

Sie, die mit ihrer Familie auf einem Hof in Gemen aufwächst, erinnert sich gut an ihre zahlreichen Besuche bei der Asbecker Verwandtschaft. Darunter auch so beeindruckende Erlebnisse wie die Hausgeburt ihrer Nichte Regina: „Es war Februar und bitterkalt, die Küche einer der wenigen Räume, wo es warm war...“

Es ist aber vor allem der Alltag auf dem Hof, der ihr in Erinnerung ist. An die Menschen, die dort leben: an ihre Schwester Änne, deren Schwiegervater, zwei Tanten und einen ledigen Onkel sowie die zwei Neffen und Nichte Regina.

„Ich war ganz oft da, nicht nur bei den vielen Festen, bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen.“ Sie hilft mit, wann immer sie sich nützlich machen kann und zählt die vielen Gelegenheiten auf: „Bei der Ernte, im Stall und in der Küche, wenn Obst und Gemüse eingemacht werden musste.“ Und hat noch gut vor Augen, als der erste Trecker (Schlüter) oder das erste Auto (VW Käfer) angeschafft werden.

Es sind die frühen 1950er-Jahre, das Nachkriegs-Deutschland, die der heute 88-Jährigen besonders im Kopf geblieben sind. Als auf dem Hof, wie auf vielen in der Zeit, neben Ackerbau, auch Viehwirtschaft betrieben wird und Kühe, Pferde, Schweine, Hühner und Kälber im Stall stehen.

Das alles ist in der Chronik nachzulesen, die bis in das Jahr 2024 reicht. Passend zum Weihnachtsfest kann Regina Frenker in dem Jahr nach zwei Jahren „ihre“ Hofchronik auf den Gabentisch der Familie legen.

Doch zurück zu den Anfängen. Im Zuge der Nachforschungen stellt sich schnell heraus, dass der Hof, der mal als Fiers und mal als Vier in den Unterlagen auftaucht, nicht, wie die anderen Höfe in Asbeck zum Stift, sondern zum Haus Asbeck gehört. Grenze ist der Düsterbach.

In der Chronik wird der Stammbaum der Familie, der „Hof im Spiegel der Zeit“, und es werden die prägenden Ereignisse dokumentiert. Von der napoleonischen Zeit (Königreich Westfalen unter Jerome Bonaparte 1806 bis 1813) über Kaiserreich, zwei Weltkriege und britische Besatzungszeit bis hin zur Bonner Republick (1949 bis 1999). Als Zeitzeugen fungieren auch die erhaltenen Gegenstände des Hofes. Darunter der älteste: ein kunstvoll verziertes Wende-Kucheneisen von 1611. Über Jahrhunderte ist es im Einsatz, wenn sich die Familie Fier am Herdfeuer versammelt, um im wahrsten Sinne ein Eisen im Feuer zu haben und Neujahrskuchen zu backen. Es sind auch Schriftstücke wie der Nachweis, dass 1694 zwei Reichsthaler für den Kauf einer Kirchenbank für Frauen bezahlt werden, die die Aufmerksamkeit der Chronistin erregen. Das wichtigste aber ist sicher das vom 28. November 1811, dass den Hof aus der Leibeigenschaft des Hauses Asbeck und damit von „Hand- und Spanndiensten“ befreit und den „Freikauf von allen Abgaben und Ansprüchen“ besiegelt.

Unterfüttert und begleitet durch die Zeit wird die Chronik durch zahlreiche Fotos, Zeichnungen und auch so manche Anekdote. Besonders die vom gestrandeten britischen Jeep, in einer Grube auf dem Hof kurzerhand „in Sicherheit“ gebracht, wird erzählt.

Gegenstände als Zeitzeugen

Apropos Frauen auf dem Hof. Sie bekommen in der Hofchronik, anders als in der Wirklichkeit, eine Stimme. Nicht nur bei der Schilderung dessen, was Dina Hardeling 1867 als Mitgift für ihre Heirat mit Johann Heinrich Fier, auch anhand der Zeugnisse wird deutlich, dass die Schulbildung im 19. Jahrhundert nicht nur Männersache war.

All das hat Regina Frenker auf 202 Seiten zu Papier gebracht und als Buch drucken lassen. Warum? „Um das Wissen um die Geschichte des Hofes Fier für nachfolgende Generationen festzuhalten. Denn mit jeder Generation, die verstirbt, versiegt eine Informationsquelle, die die Vergangenheit kennt.“

Die Chronik selbst gibt es nur in wenigen Exemplaren, ist eigentlich nur an die Familie adressiert. Gleichwohl öffnet Regina Frenker Teile daraus auch für die Öffentlichkeit. Wie gerade bei einem Vortragsabend des Heimatvereins Asbeck.

2025 mlz fier buch

Auch ihre Erinnerungen sind in die Hofchronik Fier eingeflossen: Regina Frenker und Tante „Mia“ Althaus. FOTO Christiane Hildebrand-Stubbe

Von Christiane Hildebrand-Stubbe
Münsterland Zeitung 15.10.23025 Legden

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