Amerikanerin kannte Stadtlohn bisher nur von Youtube
Sandy Meyer wohnt in St. Louis. Für einen Tag machte sich die Amerikanerin in Stadtlohn auf die Suche nach den Spuren ihres Ururgroßvaters. Der war 1844 ausgewandert.
Sandy Meyer genießt den Ruhestand. Die Amerikanerin hat die Ahnenforschung als Hobby entdeckt und ist dabei auf Vorfahren in Stadtlohn gestoßen. Nun besuchte sie die Heimat ihres Ururgroßvaters und stellte sich am Marktpütt auf, den ihr Vorfahre schon kannte. © Michael Schley
Nein, so hatte sie sich Stadtlohn nicht vorgestellt. Die Heimat ihrer Vorfahren kannte Sandy Meyer allein von Youtube-Videos. „Da wirkte alles viel industrieller“, meint die Amerikanerin. Beim Gang durch die Innenstadt sei sie nun positiv überrascht: „Beautiful!“ Die 68-Jährige war extra über den großen Teich nach Stadtlohn gereist, um die Spuren ihres Ururgroßvaters aufzuspüren. Dieser war einst in die USA ausgewandert.
Quincy, dort wo Sandy Meyer geboren wurde, liegt 180 Kilometer nordwestlich von St. Louis, wo sie heute lebt. 180 Jahre ist es her, dass ihr Vorfahre Bernard Henrich Johann Joseph Kamphaus einst nach Amerika ausgewandert ist. Ins gelobte Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in den Bundesstaat Illinois. So wie viele Münsterländer. In Deutschland sei die ehemalige Bankangestellte schon häufiger gewesen – in Stadtlohn noch nie. Die Neugier geweckt hatte ihr Cousin, wie sie berichtet: „Der hatte schon früher Kontakt nach Stadtlohn.“
Cousin war der Initiator
Dazu kam, dass ihre Mutter nun ihren 89. Geburtstag gefeiert habe. „Sie ist die Letzte, die diese Vorfahren vielleicht noch auf Fotos erkennen kann.“ So brachte ihr Cousin die Familiengeschichte mit, ihre Mutter ein ganzes Bündel an Fotos. „Da hab ich Lunte gerochen“, meint die Amerikanerin, die zwar kein Kamphaus mehr im Namen trägt, dafür aber ein Meyer. Nicht minder „deutsch“.
Dazu kam, dass ihre Mutter nun ihren 89. Geburtstag gefeiert habe. „Sie ist die Letzte, die diese Vorfahren vielleicht noch auf Fotos erkennen kann.“ So brachte ihr Cousin die Familiengeschichte mit, ihre Mutter ein ganzes Bündel an Fotos. „Da hab ich Lunte gerochen“, meint die Amerikanerin, die zwar kein Kamphaus mehr im Namen trägt, dafür aber ein Meyer. Nicht minder „deutsch“.
Eigentlich sei sie überrascht gewesen, dass ihre Familie Wurzeln in Deutschland hat. „Ich dachte immer an Irland, wegen meiner rötlichen Haare“, sagt sie und lacht. Sie ist unzweifelhaft eine Frohnatur. Sie fertigte aus ihren Informationen einen Stammbaum an – und erkannte viele Großfamilien. „Lots of Kamphaus“, schmunzelt sie. Sie wollte es nun genauer wissen.
Bernard Kamphaus – oder kurz „Kamps“, wie Hermann Hintemann vom Heimatverein anmerkt – wurde 1811 in Stadtlohn geboren, 1844 wanderte der Landwirt aus dem Hordt dann aus. „From Wessendorf.“ So viel weiß auch Sandy Meyer schon. Hermann Hintemann hat selbst Nachforschungen betrieben, hatte bereits sieben Gäste aus Amerika zu Gast und viele Familien zusammengeführt.
„In den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts gab es viele nasse Jahre, vieles verfaulte auf dem Land. Das wiederholte sich in den 1840ern“, meint der Stadtlohner. Zumindest deuteten die Wetteraufzeichnungen darauf hin. Viele Landwirte hätten dann die Notbremse gezogen und seien dem Ruf aus Übersee gefolgt. Dort sei alles gut, so sei damals geworben worden. Bernard Kamphaus blieb Landwirt und gründete eine Familie.
Hermann Hintemann (l.) vom Heimatverein führte Sandy Meyer (2.v.l.) an einige Orte in Stadtlohn, die für ihren Ururgroßvater von Bedeutung waren. Mit dabei war auch Verwandtschaft, Elisabeth und Hermann Hueske begleiteten die Amerikanerin.© Michael Schley
„My mother was a Kamphaus.“ So stellt sich Sandy Meyer am Donnerstagmorgen am Marktpütt vor dem Rathaus vor. Einer der wenigen Belege, die Hermann Hintemann ihr noch zeigen kann. Belege, die auch ihr Ururgroßvater schon kannte – seinerzeit noch an anderer Stelle, ein paar Dutzend Meter weiter auf dem Markt. Ein weiterer ist das Haus Hakenfort, eine weitere Station der Spurensuche, ebenso wie die ehemalige Hofstelle im Hordt, die heute nicht mehr existiert.
Begleitet wird die Ruheständlerin von Nancy Myers und Georg Palmüller vom Ahnenforscherstammtisch Unna. Sie betreuen die Reisegruppe, aus der jedes Mitglied an einem Tag die Möglichkeit nutzt, die Heimat ihrer Vorfahren persönlich zu besuchen. Georg Palmüller kennt viele ähnlich gelagerte Fälle – gerade im Emsland, aber auch im Münsterland: „Die Freiheit in den USA war damals eine ganz andere. Viele Träume wurden geweckt, von denen aber auch viele platzten.“
Viele Deutsche in Illinois
Nicht so bei Bernard Kamphaus, der nicht wieder nach Stadtlohn zurückkehrte. „Während man sich in Stadtlohn einen sogenannten Esch mit einigen Landwirten teilen musste, hatte er in Amerika Land so groß wie ganz Stadtlohn“, berichtet Georg Palmüller. Da „Millionen Deutsche“ ausgewandert seien, boome die Ahnenforschung in den USA derzeit.
Nicht so bei Bernard Kamphaus, der nicht wieder nach Stadtlohn zurückkehrte. „Während man sich in Stadtlohn einen sogenannten Esch mit einigen Landwirten teilen musste, hatte er in Amerika Land so groß wie ganz Stadtlohn“, berichtet Georg Palmüller. Da „Millionen Deutsche“ ausgewandert seien, boome die Ahnenforschung in den USA derzeit.
Sandy Meyer ist nun auch „infiziert“, wie sie sagt. Bis zum 24. Mai bleibt sie mit der Gruppe noch in Deutschland. „Bei uns in Quincy haben viele deutsche Vorfahren“, berichtet sie. Bis vor Jahren habe es gar noch deutsche Zeitungen beim Bäcker gegeben. Sie denkt dabei auch an ihre Freundin, die sie eigentlich begleiten wollte, nun aber nicht konnte. Eine Frau Mast – eine Beziehung in die Region, vielleicht nach Vreden, deutet schon der Nachname an.
Sandy Meyer, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr selbst noch auf einem Hof gelebt hat, wird in jedem Fall auch noch Baden bereisen, auch dort soll es Spuren ihrer Familie geben. Zum Abschluss geht es für alle gemeinsam zum Auswandererhaus nach Bremerhaven. Dann hat sie von Stadtlohn auch „ein anderes Bild im Kopf“. Eben ein anders als von den Videos. „Wonderful here“, erklärt sie noch einmal. Und sie freut sich ganz besonders, dass sie in Hermann und Elisabeth Hueske auch echte Verwandte am Marktbrunnen trifft.
Münsterland Zeitung 12.05.2023 / Michael Schley