Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Mit G(x) wird die Generation eines Individuums in der Ahnentafel bezeichnet, mit x die so genannte Kekule-Nummer – benannt nach dem Genealogen Stephan Kekulé, dem Sohn des berühmten Chemikers August Kekulé. Ich selbst hätte in diesem System die Kekule-Nummer 1 und bin Generation 0. Mein Vater bekommt die Nummer 2, meine Mutter die Nummer 3.
Danach wird dem Vater einer Person mit Kekule-Nummer n immer eine Zahl von 2n zugeordnet; der Mutter die 2n+1. Mein Großvater väterlicherseits hat also die 4, der Großvater mütterlicherseits die 6, und meine beiden Großmütter entsprechend die 5 und die 7. Ganz allgemein haben in diesem System alle männlichen Vorfahren eine gerade Kekule-Zahl und alle weiblichen eine ungerade Zahl.
Die Mathematik der Ahnenforschung kann aber noch ein ganzes Stück komplexer sein. Es gibt Formeln zur Berechnung eines »Verwandtschaftskoeffizienten«, der die Wahrscheinlichkeit angibt, dass zwei Menschen (oder andere Arten von Lebewesen) dieselbe zufällig ausgewählte Erbinformation teilen. Es gibt auch einen »Ahnenverlustkoeffizienten« der bestimmt, wie viele Vorfahren man theoretisch haben kann und wie viele man tatsächlich hat. Jeder Mensch hat zwei Eltern, so viel ist sicher. Und im Allgemeinen haben wir auch immer vier Großeltern. Aber rein theoretisch können Vater und Mutter auch gleichzeitig Bruder und Schwester sein – und dann schrumpft die Zahl der Großeltern auf zwei.
Ahnen verschwinden auch, wenn Cousin und Kusine heiraten, und so weiter. So einen »Ahnenschwund« findet man vor allem in adligen Familien, in denen die Verwandtschaftsbeziehungen besonders eng sind. Von den 64 möglichen Ahnen, die in der 6. Vorfahrengeneration existieren können, hat etwa Friedrich der Große nur 35. Der Ahnenverlust beträgt hier also schon 45 Prozent; geht man zurück in seine 12. Generation, dann liegt er bei 73 Prozent.
Ahnenschwund ist aber kein Privileg des Adels, sondern eine mathematische Notwendigkeit, die uns alle trifft. Jeder Mensch hat vor n Generationen maximal 2n Vorfahren. Setzt man für eine Generation eine Zeitspanne von 25 Jahren an, dann müssen vor 30 Generationen, also vor etwa 750 Jahren, 230 Vorfahren gelebt haben. Das wären mehr als eine Milliarde Uropas und -omas für alle Menschen, die heute leben. Doch so groß war die Weltbevölkerung damals natürlich nicht.
Statistisch gesehen sind wir also alle miteinander verwandt. Und ich kann einfach warten, bis ich im Stammbaum einer anderen Person auftauche, und mir die Arbeit sparen, einen eigenen zu erstellen.
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