Greven -
Hans-Dieter Bez hat sich sämtliche – ja, ganz genau: sämtliche – Ausgaben des „Münsterischen Intelligenzblattes“ (1763 bis 1849) vorgenommen, von A bis Z gelesen und ausgewertet, was sich darin Wissenswertes über das damalige Dorf Greven und seine Bewohner finden lässt.
Von Oliver Heng
Hans-Dieter Bez hat alte Zeitungsbände durchforstet
In Archiven stöbern und Quellen durchforsten ist für Hans-Dieter Bez keine Arbeit, sondern Vergnügen. Foto: Oliver Hengst
„Als wenn man durch ein Fernglas in diese Zeit zurückblicken könnte. Ich bin fasziniert. Dieses Jahr war ein großes Erlebnis für mich.“ Nicht jedem würde es wohl so gehen, der ein ganzes Jahr für Quellen-Studium aufwendet. Aber Hans-Dieter Bez ist geschichtsinteressiert. Mehr noch: Er ist Historiker. Vor seiner Pensionierung unterrichtete er seine Schüler unter anderem in Geschichte. Wenn er sich also alte Unterlagen und Quellen ansieht, entdeckt er darin sicher mehr, erkennt mehr, kann es besser einordnen, als es Lieschen Müller könnte. Und dennoch: Auch die könnte eine Menge erfahren.
Wenn sie wüsste, wie sie es anzustellen hat.
Bez hilft ihr (und vielen anderen) jetzt dabei. Er hat sich sämtliche – ja, ganz genau: sämtliche – Ausgaben des „Münsterischen Intelligenzblattes“ vorgenommen, von A bis Z gelesen und ausgewertet, was sich darin Wissenswertes über das damalige Dorf Greven und seine Bewohner finden lässt. Um allen, die Familienforschung betreiben, ähnlichen Aufwand zu ersparen, hat Bez alle Verweise zu Greven sauber aufgeschrieben. „Ich habe eine Liste angelegt mit allen Grevener Namen, die im Blatt auftauchen.“ Wer also in seiner Auflistung (die nun im Stadtarchiv Greven zur Ansicht bereitliegt) unter „Müller“ sucht, dürfte fündig werden.
Das Münsterische Intelligenzblatt (erschienen weitgehend bei Aschendorff) war ein amtliches Mitteilungsblatt. Es erschien von 1763 bis 1849, anfangs etwa zwei bis dreimal pro Woche, später alle zwei Tage. In den ersten Jahren wurden auch kurze Nachrichten aus dem In- und Ausland veröffentlicht.
Das alles durchzulesen, erfordert einiges an Interesse und Zeit – Bez investierte ein ganzes Jahr. Immerhin hielt sich die Laufarbeit in Grenzen: Wohnzimmer, Arbeitszimmer und zurück.
Denn das Blatt ist inzwischen digitalisiert und auf den Seiten der Uni-Bibliothek Münster für jedermann frei zugänglich. Zusammen mit der Bez‘schen Namensliste eine Fundgrube für alle, die etwas über ihre Grevener Vorfahren herausfinden möchten. Neben Geburts- und Todesanzeigen erschienen im Blatt auch gerichtliche Bekanntmachungen, Einladungen und Entscheidungen (mit Namensnennung!), Berichte über Diebstähle, Suche nach Verdächtigen und Deserteuren, Verkäufe von Häusern und Höfen, Stellengesuche und -angebote, Werbung für den Militärdienst und manches mehr.
Seinerzeit musste auch veröffentlicht werden, wer wann in welchem Hotel abstieg. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, erfährt so auch, welche Seilschaften geknüpft, welche Ehen angebahnt und welche gebrochen wurden.
Besonders fasziniert ist Bez von den Ausgaben der Jahre 1800 bis 1820. „Das ist die Zeit, wo in Europa alles auf den Kopf gestellt wurde.“ Franzosen (Napoleon) und Preußen rangen um die Macht – auch im Münsterland und in Greven. Die Auswirkungen waren bis in den Alltag der Landbevölkerung zu spüren – etwa wenn Söhne zum Militärdienst eingezogen wurden oder ehemals kirchliche Ländereien auf den Markt kamen. Bauern konnten das Land, das sie ohnehin schon bewirtschafteten, kaufen und ihr eigener Herr werden.
Neu entstehende Banken verliehen das nötige Geld. Bekannte Gehöfte, die bis heute bestehen, wurden gegründet. Auch die Grevener Textilerfamilien tauchen im Intelligenzblatt regelmäßig auf. „Das kann man schon sehr gut nachvollziehen. Das wird alles lebendig“, ist Bez von der Qualität der Quelle „begeistert“. Vieles, was man heute kennt, nahm seinerzeit seinen Anfang – im Großen wie im Kleinen.
 
►  Auf https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de lassen sich alle Ausgaben des Münsterischen Intelligenzblattes einsehen.
 
 Westfälische Nachrichten 07.10.2017

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