Familientreffen im Netz
Früher musste man in Archiven und Kirchenbüchern stöbern, um seinen Vorfahren auf die Spur zu kommen. Dank moderner Technik geht die Suche jetzt schneller und leichter. (Von Christina Merkel)

 Woher komme ich? Wer sind meine Vorfahren? Die Suche nach den eigenen Wurzeln liegt im Trend. Neue Computerprogramme und zahlreiche Internetangebote machen Ahnenforschung für immer mehr Menschen interessant. Wer Stammbaumforschung bislang als Seniorenhobby belächelte, hat sich getäuscht. "Mit virtueller Ahnentafel und
Ergebnisaustausch per E-Mail begeistert Familiengeschichte auch die Jüngeren", sagt Ulf Bollmann (40), Vorsitzender der Genealogischen Gesellschaft Hamburg e. V. (GGHH). Doch ältere Generationen lassen sich längst nicht von der modernen Technik abhängen. "Alles eine Frage der Lernbereitschaft. Wir haben über 90-Jährige in unserem Verein", so Bollmann, der hauptberuflich im Hamburger Staatsarchiv arbeitet. Bei eingeschränkter Mobilität im Alter biete der Computer zudem große Vorteile: Wem der Gang zur Bibliothek zu beschwerlich sei, könne im großen Online-Archiv des Vereins stöbern. Es gibt sogar spezielle Computerkurse für Ahnenforscher und solche, die es werden wollen: "Die GGHH sorgt dafür, dass jeder
am Fortschritt teilhaben kann", erklärt der Vorsitzende. Der Verein betreibt auch Mailinglisten für einen bestimmten Interessentenkreis. "Wer zum Beispiel die alte Schrift eines Dokuments nicht lesen kann, stellt es bei uns ins Internet und bekommt bestimmt Hilfe."

Auch sogenannte Namen-Verbreitungskarten können bei der Vorfahrensuche helfen. Diese Suchfunktion ist bei zahlreichen Genealogieportalen kostenlos im Angebot. Sie zeigt die geografische Verteilung von Nachnamen in Deutschland an. Wo ist der Name der Bundeskanzlerin am häufigsten? Wo liegen die Wurzeln des Namens Schröder? Gibt man Müller in die Suchmasken ein, färbt sich jedoch die ganze Karte rot - ein Zeichen dafür, dass dieser Nachname in so gut wie allen Landkreisen Deutschlands über 300-mal vertreten ist.

Zwei der häufigsten Namen in Hamburg sind "Voss", niederdeutsch für Fuchs, und "Möller", die norddeutsche Variante von Müller. Voss kommt 321-mal im Telefonbuch der Stadt vor, Möller heißen sogar 1607 Hamburger. "Nachnamen spiegeln ein Bild der Zeit wider. Sie zeigen uns, welche Berufe im Mittelalter in Hamburg an der Tagesordnung waren", erklärt Bollmann. Der Name "Schröder", norddeutsch für Schneider, ist in Hamburg über 400-mal zu finden. "Das bedeutet, dass es um das Jahr 1500 sehr viele Schneider in der Stadt gab", so Bollmann. Auch Herkunftsnamen sind in einer Zuzugsmetropole wie Hamburg häufig. So deutet "von Seeve" nicht etwa auf ein Adelsgeschlecht hin, sondern lässt lediglich darauf schließen, dass die Person aus dem Seevetal in die Hansestadt gezogen ist. Ähnlich verhält es sich mit den Nachnamen "von Borstel" und "von der Wische".

Neben den Verbreitungskarten bieten viele Organisationen im Internet kinderleichte Funktionen zum Aufbau eines Stammbaums der eigenen Familie an. In vorgefertigte Elemente trägt man seinen eigenen Namen ein, die der Eltern und Großeltern. Weitere Familienmitglieder können per E-Mail eingeladen werden, um beim Erweitern der Ahnentafel mitzuwirken. Auf dieser Basis ensteht schnell ein Netzwerk, dass die Kommunikation auch mit räumlich entfernten Verwandten aufrechterhält. Doch häufig müssen Verwandtschaftsbeziehungen erst einmal hergestellt werden. Der Weg dorthin ist auch in Zeiten des Internets mühsam. "Anfangserfolge sind schnell erzielt", weiß Bollmann. "Man muss in der eigenen Erinnerung kramen und Verwandte befragen. Fotoalben, Geburtsurkunden und sogar Glückwunschkarten führen zu neuen Spuren. Genealogie funktioniert wie ein Puzzlespiel."

Früher musste man in Archiven und Kirchenbüchern stöbern, um seinen Vorfahren auf die Spur zu kommen. Dank moderner Technik geht die Suche jetzt schneller und leichter. Der nächste Schritt wäre dann der Gang zum Standesamt oder ein Blick in die Kirchenbücher: "1600 ist die natürliche Grenze der Ahnenforschung. In St. Petri wurde zum Beispiel ab 1603 jedes getaufte Kind bis heute registriert. In St. Michaelis erst ab 1660", erklärt Bollmann. Aufzeichnungslücken könnten durch Brände in Kirchen entstehen. Sterbefälle schrieb man in
Deutschland erst viel später auf. Bis zum Jahr 1875 dauerte es, bis auf Ämtern eine Geburtsurkunde vorgelegt werden musste. Zuvor waren Namen nach Gehör notiert und so häufig verfälscht worden. Kommt ein Hobby-Ahnenforscher alleine nicht mehr weiter, kann er sich an die GGHH wenden. Vorsitzender Ulf Bollmann: "Auf unseren Treffen können sich Hobby-Genealogen austauschen. Für Neulinge erklären wir auch gerne das Prozedere der Vorfahrensuche - mit und ohne Computer."

Hamburger Abendblatt, erschienen am 2. August 2007

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