Ein zwölf Meter langer Stammbaum
Hermann Hagenah (74) ist der Initiator. Er erforscht seit 15 Jahren die Familiengeschichte. (Von Bianca Wilkens)
In der Ansprache kann man bei dieser Veranstaltung, die (natürlich) in Hagenah stattfindet, nichts falsch machen. Wer sich an diesem Tag im Gasthof Hellwege trifft, gehört zu einer Familie, zur Familie Hagenah. Und die rund 60 Menschen, die hier zusammengekommen sind, eint ein Ziel: sie wollen mehr über ihre Vorfahren und damit mehr über sich selbst herausfinden. Deshalb versammeln sie sich nun um Hermann Hagenah, stecken ihre Nasen in seine Ordner, in der Hoffnung, in den unzähligen Listen einen Hinweis auf ihre Familiengeschichte zu finden. Das Familientreffen, das der Himmelpfortener zusammen mit Egon Hagenah aus Dollern und Hans-Peter Hagenah aus Gnarrenburg organisiert hat, findet zum zweiten Mal statt. Selbst ein 83-Jähriger aus Ihlienworth kam extra mit dem Fahrrad. "In unserem Alter schaut man zurück", sagt Egon Hagenah (66). "Wir wollen unsere Wurzeln kennenlernen." Hermann Hagenah ist der Motor der Ahnenforschung. Seit 15 Jahren wälzt der Rentner aus Himmelpforten Kirchenbücher, Schatzlisten, Gerichtsakten und Steuerlisten. Sogar Rekrutierungslisten der Franzosen zu Napoleons Zeiten und Listen, die aufzeigen, wer im Dorf eine Feuerstelle besaß, nimmt der Mann sich vor - immer auf der Suche nach Hagenah. Sobald er fündig wird, nimmt er die Namen samt Geburtsdatum, -ort und Verwandte in seine Datenbank auf. Inzwischen füllt sein Archiv 50 Ordner.
Bei seiner Suche hat Hermann Hagenah Familienlinien ausfindig gemacht, die er mit Hilfe eines Computerprogramms auch als Ahnentafeln ausdrucken kann. Der längste seiner insgesamt 30 Stammbäume umfasst zwölf Meter. Der älteste Hagenah in der Datenbank ist geboren am 5. August 1655 und hieß Jürgen. "Davor ist nichts zu finden. Der 30jährige Krieg bis 1648 hat alles kaputt gemacht."
Die meisten Hagenahs ließen sich zwischen Weser und Elbe nieder. Das macht sich auch beim Familientreffen in der Gastwirtschaft Hellwege bemerkbar. Nur wenige hatten eine weite Anreise - zum Beispiel aus Frankfurt und Düsseldorf. Heute gibt es 400 lebende Hagenahs, hat Hermann Hagenah herausgefunden. "Es ist ein bunter Mix an Leuten mit vielen Seefahrern und Handwerkern als Vorfahren", sagt er. Einige der Besucher des Familientreffens schreiben die Familiengeschichte nun fort. Sie beugen sich in der Gaststätte über die auf dem Tisch ausgebreiteten meterlangen Ahnentafeln und tragen per Hand ein, wer wen inzwischen geheiratet und welche Kinder bekommen hat. "Das muss ja alles aktualisiert und auf dem Laufenden gehalten werden", sagt Hermann Hagenah. Also wieder Arbeit, die auf den Mann mit der silbernen Haartolle zukommt. Und warum das alles? "Es hat mich einfach gereizt, zu erfahren, wo die Hagenahs herkommen und wo sie geblieben sind", erklärt der 74-Jährige. "Und über eines muss man sich klar sein, wenn man so etwas anfängt: Man wird nie fertig."
Hamburger Abendblatt, erschienen am 7. Oktober 2008