LITERATUR

Quellen der Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nördlichen Niederlanden

Grenzüberschreitende Migration im Überblick: Neuer Sammelband bietet Übersicht zu Quellen der Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nördlichen Niederlanden

 

Nichts ist menschlicher als Migration! Migranten, die die Grenze zwischen den nördlichen Niederlanden und Nordwestdeutschland überquerten, haben viele Spuren in Archiven und Museen hinterlassen. Die überlieferten Quellen und ihre Fundorte werden in der neuen Publikation "Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nördlichen Niederlanden" systematisch beschrieben. Das Buch enthält eine Vielzahl an Hinweisen für die grenzüberschreitende Forschung und stellt auch Quellen und ihre Auswertungsmöglichkeiten aus den Standorten Aurich, Oldenburg und Osnabrück des Niedersächsischen Landesarchivs vor.

Der Band ist das greifbare Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Archiven, Museen und (Forschungs-)einrichtungen in den nördlichen Niederlanden und in Nordwestdeutschland, die im so genannten Geschichtsnetzwerk (www.gesnet.eu) seit 2014 miteinander verbunden sind und hier eine gemeinsame grenzüberschreitende Perspektive einnehmen wollen.

Die Herausgeber des Sammelbandes, Dr. Marijn Molema (Fryske Akademy) und Dr. Meindert Schroor (Wattenakademie), haben gemeinsam mit Vertretern der beteiligten Institutionen eine Buchpublikation umgesetzt, die sich an (semi-)professionelle Forscher mit einem Interesse an grenzüberschreitender Migration richtet und neun Aufsätze deutscher und niederländischer Historiker umfasst. Sie untersuchen die Migrationsgeschichte aus verschiedenen thematischen und regionalen Perspektiven.

Der Band gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil umfasst drei Beiträge und wird mit einem Aufsatz zu Quellen der Migrationsgeschichte im Wattengebiet vor 1800 eingeleitet (S. 23-74). Der Beitrag von Erwin Karel und Richard Paping (S. 75-136) wertet die niederländischen Heiratsregister in Groningen und Drente zwischen 1811 bis 1934 hinsichtlich der Migration deutscher Zuwanderer aus. Die Ausführungen sind insbesondere methodisch interessant, lässt sich diese Form der statistischen Auswertung auch anhand der in den deutschen Archiven aufbewahrten Personenstandsregister vornehmen. Andreas Eiynck (S. 137-178) untersucht die zahlreichen materiellen Quellen zur Migration, die in der Regel in den Museen aufbewahrt werden.

Die Beiträge des zweiten Teils konzentrieren sich jeweils auf eine konkrete Region. Jeder Aufsatz stellt dabei nicht nur die jeweilige Einrichtung und ihre Überlieferung kurz vor, sondern auch ausgewählte Quellengruppen zur grenzüberschreitenden Migration sowie ihre Auswertungsmöglichkeiten.

Konkrete Beispiele mit Tipps zu den dort vorhandenen Archiven stammen aus den drei Provinzen im Norden der Niederlande (Drente, Friesland und Groningen) und dem Weser-Ems-Gebiet (Emsland, Ostfriesland, Oldenburg).

Egbert Brink stellt Quellen zur Migrationsgeschichte in der Region Drente vor (S. 179-227) und Otto Kuipers für die Region Friesland (S. 229-281). Für die Groninger Archive zeigen Johan Waterborg und Rixit Zuidema exemplarisch, wie die Migrationsbiographie von Jurren Rust aus Wybelsum, der 1852 seine Heimat Ostfriesland verließ, erforscht werden kann (S. 283-339). Er verheiratete sich in Groningen und wurde Stellmacher in der gleichnamigen Stadt.

Die weiteren Beiträge widmen sich Quellen zur Migrationsgeschichte von Norddeutschland in die Niederlande aus drei Standorten des Niedersächsischen Landesarchivs. Thomas Brakmann (S. 342-422) stellt ausgewählte gedruckte und ungedruckte Quellengruppen aus dem Standort Osnabrück vor, anhand derer sich die "Tradition" der Hollandgängerei vom 17. bis zum 19. Jahrhundert rekonstruieren lässt, darunter Reiseberichte und Landesbeschreibungen, statistische Erfassungen aus der französischen, hannoverschen und der preußischen Zeit sowie insbesondere die Geschäftsberichte der Landdrostei Osnabrück an das Innenministerium. Während der genannten 200 Jahre verließen zahlreiche Heuerleute, Tagelöhner und andere Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Emsland, der Grafschaft Bentheim sowie der Stadt und der Region Osnabrück Jahr für Jahr aus ökonomischen Gründen mindestens für einige Monate ihre Heimat und suchten ihr Auskommen als Saisonarbeiter in den benachbarten Niederlanden, wo sie unter anderem in der Landwirtschaft, im Torfabbau oder in der Seefahrt arbeiteten.

Gerd Steinwascher (S. 423-470) widmet sich in seinem Aufsatz der Zwangsarbeiterkartei der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen als Quelle der Migrationsgeschichte. Diese Kartei wird aktuell im Standort Oldenburg erschlossen und ist unter anderem eine Fundgrube für die Erforschung der Zwangsarbeit von Frauen und Männern aus den Niederlanden. Die Karteikarten enthalten Hinweise auf den Einsatzort, die Berufe, die genaue Herkunft und das Alter der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie die spezifische Ausformung der Arbeitsverpflichtung im Oldenburger Land. Die Kartei ermöglicht den Genealogen eine Klärung von Einzelschicksalen und der wissenschaftlichen Forschung Erkenntnisse über den Arbeitseinsatz von Niederländern in der Kriegswirtschaft im Raum Oldenburg und Bremen.

Michael Hermann (S. 471-522) stellt in seinem Beitrag verschiedene Quellen zur grenzübergreifenden Migrationsforschung im NLA-Standort Aurich dar, die vor allem für familienhistorische Fragestellungen genutzt werden können. Darüber hinaus untersucht er das Reisepassausgabebuch des Landkreises Wittmund, das von 1864 bis 1935 geführt wurde, und mit dessen Hilfe für die 1920er Jahre zwei Arbeitsmigrationswellen von Ostfriesland in die Niederlande belegt werden können. 1923 waren es in erster Linie Frauen, die während der Inflationszeit im Nachbarland eine Anstellung als Dienstmädchen suchten, 1929 überwogen unter den Ausreisewilligen dagegen die jungen Männer, von denen sich allein 2/3 auf den Weg in die Niederlande machten.

Der dritte Teil des Sammelbandes bietet eine systematische Zusammenstellung von deutschen und niederländischen Quellen zur Migration, wie sie auch bereits in den inhaltlichen Kapiteln behandelt wurden, sowie ein nützliche Übersicht der einschlägigen staatlichen, kommunalen und kirchlichen Archive (S. 533-548).

Insgesamt bietet der mit einer Vielzahl an Abbildungen versehene Band damit eine Fülle an regionalen Migrations- und Auswertungsbeispielen und Anregungen für weiterführende Projekte im Bereich der grenzüberschreitenden Migrationsgeschichte.

Der Sammelband "Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nördlichen Niederlanden. Quellen, Handreichungen und Beispiele zur grenzüberschreitenden Forschung" ist der erste Band in der neu etablierten Reihe "Benelux-German Borderlands Histories". Er erscheint sowohl in gedruckter Form als auch online. Die Online-Ausgabe wird Open Access bereitgestellt durch FID Benelux - Open Access Publications, einen Service der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. Das Buch steht auch über den folgenden Kurzlink als Gratis-Download zur Verfügung: http://go.wwu.de/vu733

INFO 

Bibliographische Angaben:

Marijn Molema / Meindert Schroor (Hrsg.), Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nördlichen Niederlanden. Quellen, Handreichungen und Beispiele zur grenzüberschreitenden Forschung (Benelux-German Borderlands Histories, Band 1), Münster 2019, 548 Seiten, ISBN 978-3-8405-2001-3    

     

Kontakt:   

Thomas Brakmann  
Niedersächsisches Landesarchiv Standort Osnabrück   
Schloßstraße 29  
49074 Osnabrück
Tel.: 0541 33162-24
Fax: 0541 33162-62

     

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