Julius Brink ist Geschichtsstudent, hat viel in der Vergangenheit seiner Vorfahren geforscht und dabei einige erstaunliche Erkenntnisse gemacht. Außerdem gibt er Tipps für Ahnenforschung.
Julius Brinks Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater hieß Johann Brink und ist am 8. Februar 1643 in St. Sixtus in Haltern getauft worden, an einem Sonntag vor 375 Jahren mitten im Dreißigjährigen Krieg. Seine Taufpaten hießen Johannes Selm und Margreta Trepp.

von Alina Meyer
Sythen, 07.02.2019 / Lesedauer: 7 min


„Das bedeutet, dass er wenige Tage zuvor geboren wurde“, sagt sein 22-jähriger Urenkel Julius Brink in neunter Generation heute. Wegen der hohen Kindersterblichkeit habe man seine Kinder damals schon kurz nach der Geburt getauft. Denn nach Ansicht der katholischen Kirche ist man nach dem Tod nur in den Himmel gekommen, wenn man zuvor getauft wurde.
Julius Brink hat Ahnenforschung betrieben und mit Hilfe von Kirchenbüchern, Totenscheinen und seinem Geschichtswissen so einiges über die Herkunft seiner Familie herausgefunden.

Tod der Oma war der Auslöser für Forschungen
Auslöser für den Beginn der Nachforschung war der Tod seiner Oma. Das war im Jahr 2011. Julius war da gerade 15 Jahre alt. „Meine Oma kannte sich bestens aus mit den Beziehungen innerhalb unserer Familie. Sie wusste, wer mit wem auf welchem Wege verwandt war und das auch über mehrere Ecken hinweg. Sie hatte alles im Kopf, aber leider nie etwas aufgeschrieben.“ Julius Brink hat als Enkel gern ihren Geschichten gelauscht. Mit ihrem Tod war das Wissen verloren. „Ich habe mich so geärgert, dass ich mir das alles nie aufgeschrieben habe. Deshalb hab ich dann angefangen, zu recherchieren“, sagt Julius Brink.

Großen Stammbaum mit Excel gezeichnet
Mittlerweile hat der Enkel einen großen Stammbaum mit dem Excel-Programm gezeichnet. Im Elternhaus oben im Flur hängt ein weit verzweigter Stammbaum auf einem DIN-A0-Blatt. Julius Brink hat sowohl in der Breite als auch in der Tiefe vieles über seine Vorfahren herausgefunden und weiß heute vermutlich noch mehr als seine Großmutter.
„Den Stammbaum habe ich immer wieder aktualisiert, aber mittlerweile ist er viel zu unübersichtlich geworden. Ich habe alle möglichen grafischen Formen ausprobiert und sie immer wieder über den Haufen geworden. Die Art, den Stammbaum tatsächlich als Baum darzustellen, fand ich auch zu unübersichtlich.“
Als ersten Schritt hat der Geschichtsstudent seine Verwandten abgeklappert und seinen Großonkel und die Großtante nach allen möglichen Daten und Verbindungen ausgefragt, die ihm bei der Recherche helfen könnten. In dem Zuge ist der Sythener auch auf die Bibel seiner Ur-Ur-Uroma gestoßen. Ganz hinten waren einige Seiten für Notizen vorgesehen. Dort hat sie die Geburtsdaten von Julius Brinks Ur-Uropas und die seiner Geschwistern eintragen. Mit diesem Fund kam Julius Brink schon bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurück.

So kann man mit der Recherche beginnen
„Wenn die eigene Oma noch lebt, kann man sie fragen, wo denn ihr Opa geboren ist oder man schaut ins Familienstammbuch, in die Totenbriefe auf alte Fotos oder in die Datenbank für Grabsteine bei GenWiki im Internet.“
Alternativ gibt es auch die Online-Datenbank Ancestry oder Family Search. „Es gibt viele Möglichkeiten. Das genaue Geburtsjahr ist dabei gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist der Ort, in dem er geboren ist und der Name der Kirchengemeinde, der er zugehörig war“, sagt Brink. Wenn man zumindest eine dieser Angaben hat, könne man die Kirchenbücher durchforsten, die es in Haltern seit einem Jahr sogar online gibt. Das Geburtsjahr findet man mit ein bisschen Suche auch so heraus.
Wer aus Haltern kommt und einige dieser Rohdaten beisammen hat, solle ich als ersten Schritt in die Stadtbücherei begeben, rät Julius Brink. Dort gibt es eine dreiteilige Edition von Martin Heiken, die aus dicken Bänden besteht.
 
Dort hat man damals die Geburtsdaten, Hochzeits- und Todestage der Leute aus Haltern verschriftlicht. Die Bände kann man sich im Lesesaal durchblättern. Allein aus diesen Büchern könne man eine Menge herauslesen, sagt der Sythener.
Die Kirchenbücher aus Haltern am See finden Interessierte auf der Internetseite von "Matricula Online". © Benjamin Glöckner

Danach hat sich Julius Brink in den Kirchenbüchern schlaugemacht. Diese findet man online in der Matricula. Das ist ein staaten- und konfessionsübergreifendes Portal für Kirchenbücher und Matriken aus dem mitteleuropäischen Raum, das zu GenWiki gehört. Wenn man in der Suchleiste den Ort und die Diözese eingibt, in der man suchen möchte, gelangt man zu den Kirchenbüchern, die nach Jahren aufgeteilt sind. Darin findet man Angaben zu Taufen, Heiraten und Sterbefällen.
Sucht man beispielsweise unter den Taufen findet man je nach Kirchenbuch im besten Falle die Angaben zum Taufnamen des Kindes, zum Tag und Stunde der Geburt, ehelich oder uneheliches Kind, Vor- und Zunamen und Beruf des Vaters, Vor- und Zuname der Mutter, Wohnort der Eltern, Tag der Taufe, Name des Taufpfarrers und die Namen der Taufpaten.
Die Kirchenbücher wurden handschriftlich geführt und zwar in der sogenannten Kurrentschrift, einer Schreibschrift, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts im gesamten deutschen Sprachraum genutzt wurde. „Diese Schrift musste ich erst einmal lernen und mich einlesen. Das war gar nicht so einfach. Vieles wurde zum Glück in einer sauberen Handschrift aufgeschrieben. Einiges ist aber auch ziemlich unleserlich, ausgeblichen und schwer zu entziffern.“

Bis hierhin kann jeder Ahnenforschung betreiben
Die ersten Kirchenbücher überhaupt sind um das Jahr 1563 entstanden. Zu dieser Zeit hat das Konzil von Trient die Priester dazu verpflichtet, ein Eheregister in den Städten zu führen. Es gab viele Gründe, warum die Leute nicht heiraten durften, etwa wegen zu enger Verwandtschaft. Diese Richtlinien galten für die ganze Kirche. „Bis dahin kann jeder Ahnenforschung betreiben. Man kommt sogar noch weiter zurück. Ich habe in einer Schatzung Sythens auch Brinks von 1498/1499 gefunden. Es ist jedoch nur in Ausnahmefällen möglich, zu beweisen, dass man direkt von diesen Personen abstammt. Zu dieser Zeit gab es noch keine Taufregister und keine Möglichkeit, das in direkter Linie zu verfolgen.“
In Haltern beginnen die ersten Kirchenbücher in der Gemeinde St. Sixtus im Jahr 1639. Die der anderen Gemeinden einige Jahre später. Doch ausgerechnet in der Seestadt kommt noch ein Problem hinzu: „Das Kirchenbuch von 1685 bis 1740 fehlt leider in Haltern. Wann und wie es verloren gegangen ist, weiß man nicht. Dadurch habe ich eine Lücke von 50 Jahren in meinem Stammbaum“, bedauert der 22-Jährige.

Interessante Entdeckungen gemacht
Trotzdem hat der Sythener einige interessante Entdeckungen machen können. Zum Beispiel weiß er, dass sein Nachname „Brink“ im Niederdeutschen die Bezeichnung für einen kleinen Hügel ist. Die Familie wurde demnach nach dem Grashügel benannt, auf dem der Hof in Sythen sogar heute noch steht.
„Die meisten meiner Vorfahren waren Bauern und haben in Sythen gelebt. Aus dem Dorf sind sie nicht weit herausgekommen. Das war damals so. Da hat man die Mädchen aus dem eigenen Dorf geheiratet. Es war schon schwierig genug, ins nächste Dorf zu gelangen. Das hat meine Suche natürlich etwas vereinfacht.“
Damals durfte oft nur der älteste Sohn einer Familie heiraten. Die Voraussetzung war, dass der einen Bauernhof hatte, um eine Familie versorgen zu können. Die restlichen Söhne blieben zum Beispiel als Schäfer auf dem Hof zurück. Wenn auf Höfen männliche Erben fehlten, hatten allerdings auch die zweit- und drittgeborenen Söhne die Möglichkeit, auf Höfen einzuheiraten.

Jahrelange Forschung
Julius Brink hat jahrelang geforscht und viele Daten zusammengetragen. So hat er auch herausgefunden, dass sein Cousin zweiten Grades Mönch in einem Kloster in der Normandie ist. „Ich bin natürlich immer noch dabei und arbeite mal daran weiter und aktualisiere die Daten, wenn ich die Zeit dafür finde. Ich kann Stunden daran sitzen. Irgendwann muss man aber einen Schlussstrich ziehen, sonst wird es alles zu viel. Vor allem in die Breite nimmt der Stammbaum einfach kein Ende.“
Ganz aufgehört hat der Student aber nicht. Als er mit seinen Vorfahren größtenteils durch war, hat er die Vorfahren anderer Familien in Sythen erforscht und sich mit der Onomastik, der Namenkunde, auseinandergesetzt.
Die Nachnamen seien laut Julius Brink erst spät mit der Gründung von Städten entstanden. Die Namensvielfalt war damals nicht allzu groß. Trotzdem musste man die Leute unterscheiden können. „Also benannte man viele Leute nach ihren Berufen wie „Müller oder Schmidt“, nach Orten oder Wohnstätten, nach der Herkunft wie „Westfale“, nach Patronymen oder Metronymen (Herleitung vom Namen des Vaters oder der Mutter) wie „Peters“ oder „Janßen“ oder man gab ihnen einen Übernamen, der ihr Aussehen beschrieb wie „Kurz“, „Lang“, oder „Klein“.“

Viele Kinder nach Vater oder den Taufpaten benannt
Zudem bemerkte der Student, dass früher in Sythen vor dem 18. Jahrhundert Vornamen wie Johannes, Bernhard, Christopherus, Hermann, Heinrich, Wilhelm und Theodorus beliebt waren. Viele Kinder wurden nach ihren Vater oder auch den Taufpaten benannt. Ende des 18. Jahrhunderts wurde viele Söhne Alexander oder Sixtus genannt.
Uneheliche Kinder waren damals schrecklich verpönt. „Früher war es ein Schandfleck in der Familie, wenn man ein uneheliches Kind bekam. Dann wurdest du ausgestoßen. Damals gab es viele dieser ‚Blitz-Hochzeiten‘ wie ich sie nenne“, sagt Brink. „Auch damals wurden Frauen, die noch nicht verheiratet waren, schwanger und wollten verhindern, dass das Kind unehelich geboren wird.“
In den Kirchenbüchern findet man auch oft die Angabe „nachträglich durch Heirat legitimiert“. Das Kind wurde also erst anerkannt, nachdem geheiratet wurde. „Ich vermute auch, dass aus diesem Grund damals viele Großmütter das Kind ihrer Tochter als ihres ausgegeben haben“, sagt Julius Brink.

Bis ins Jahr 1683 zurückverfolgt
Der 22-Jährige hat bis ins Jahr 1683 mit Hilfe der Kirchenbücher eine sichere Verbindung zu seinen Vorfahren schaffen können. „Die Zeit der Kirchenbuchlücke zwischen 1685 und 1740 kann ich nur über Personenstandsregister wie zum Beispiel dem Status animarum von 1749/1750 nachvollziehen. Es gab auch mal sogenannte Volkszählungen, auf die man sich nicht zu hundert Prozent verlassen darf. Die Familien mussten damals für jedes ihrer Kinder Steuern zahlen. Da wurde sicherlich das eine oder andere Kind versteckt, um Geld zu sparen.“
Während des Dreißigjährigen Kriegs würde man ab und zu auch die Angaben „Vater: unbekannt“ oder Vater: Soldat“ finden. „Daraus könnte man schließen, dass viele dieser Frauen zu der Zeit verwitwet waren oder von Soldaten vergewaltigt wurden.“
Julius Brink ist vorsichtig, was die Familienforschung angeht. „Man stößt damit nicht nur auf Interesse und Verständnis. Wenn man in einem kleinen Dorf wie in Sythen weit zurückforscht, sind irgendwann alle miteinander verwandt.“
Der Sythener hat bei seiner Recherche auch etwas im Zweiten Weltkrieg gestochert. „Besonders mit solchen Sachen muss man sehr vorsichtig sein. Ich möchte keine alten Wunden aufreißen. Viele wollen heute nicht mehr darüber sprechen, was damals war, aber in fast jeder Familie gab es Leute, die entweder aus ideologischen oder beruflichen Gründen Mitglied der NSDAP, der SA oder der SS wurden. Das war so und sollte man auch nicht leugnen.“
Wer Ahnenforschung betreiben möchte, brauche einen langen Atem, viel Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz, sagt Julius Brink. „Aus Datenschutzgründen gibt es auch Sperrfristen. An diese Angaben kommt außer durch das Wissen von Verwandten kaum heran.“ Bei Taufen seien es 110 Jahre, bei Hochzeiten 80 Jahre.
Es dauere auch eine Weile bis man bei der Fülle an Informationen auf die richtige Spur kommt und einen Glückstreffer landet. „Man muss sich immer wieder fragen, wie die Familie zusammenhängt und ob die eigenen Recherchen Sinn machen oder ob man womöglich auf dem falschen Weg ist. Es ist wie ein großes Rätsel. Wenn man an einer Stelle nicht weiterkommt, darf man nicht sofort aufgeben, sondern muss eben an einer anderen Stelle weitersuchen.“
 
Münsterland Zeitung 07.02.2019 - Sythen